Die Schuhe von Günter Netzer erinnern nicht nur wegen ihrer außerordentlichen Maße an einen der größten deutschen Fußballer. In Schuhgröße 47 avanciert der Mittelfeldspieler Ende der 1960er-Jahre zum herausragenden Spielgestalter der Elf von Borussia Mönchengladbach und in der Nationalmannschaft. Auch abseits des Spielfeldes sorgt er mit extravaganter Kleidung, seiner Leidenschaft für schnelle Autos und als Betreiber eine Diskothek für Aufsehen. Die Medien stilisieren ihn zur Pop-Ikone des deutschen Fußballs.
Beim legendären Pokalfinale 1973 gegen den 1. FC Köln befindet sich Netzer zunächst auch abseits des Spielfeldes. Als Auswechselspieler. Sein Trainer Hennes Weisweiler berücksichtigt ihn nicht für die Startelf. Die Maßnahme ist ein Politikum. Der Erfolgscoach und sein größter Star geraten öfter aneinander, obwohl sie viele Jahre voneinander profitieren. Für den vom Offensivgeist beseelten Trainer ist Netzer ein Schlüsselspieler, dem der spektakuläre Spielstil auf dem Leib geschnitten ist. Anderseits hält Netzer nicht mit Kritik hinterm Berg, wenn ihm Weisweilers Taktik allzu offensiv ausgerichtet erscheint.
Vor dem Pokalfinale kommt hinzu, dass sich Netzer wegen des Todes seiner Mutter wenige Tage zuvor nicht in bester Verfassung befindet. Darüber hinaus ist sein anstehender Wechsel zu Real Madrid bekannt geworden. Weisweiler glaubt, es ohne seinen zuweilen renitenten Star schaffen und ihn damit einen Denkzettel verpassen zu können. Zur Halbzeit steht es 1:1. Der Trainer besinnt sich eines Besseren und möchte Netzer einwechseln. Der weigert sich. Damit ist das Trainer-und-sein-Star-Duell auf die Spitze getrieben. Genauso wie die Spannung des Endspiels. Auch nach 90 Minuten steht es Unentschieden 1:1.
Und nun folgt ein bis heute einmaliger Vorgang im Deutschen Profifußball: Netzer erkennt, dass sein junger Mannschaftskollege Christian Kulig mit seine Kräften am Ende ist und raunt Weisweiler im Vorbeigehen zu: „Ich spiele dann jetzt mal.“ Die Selbsteinwechslung macht sich schon nach drei Minuten bezahlt. Mit einem Schuss in den Torwinkel erzielt Netzer das 2:1 für seine Mannschaft. Es ist der Siegtreffer und Netzer in seinem letzten Spiel für Mönchengladbach der strahlende Pokalheld.
Wieder einmal hat er auf ganz eigene Art und Weise für Aufsehen gesorgt. Auch Netzers gelb-blaue Fußballschuhe aus dem Pokalfinale sind damals ein Hingucker. Und Weisweiler wird sich schwarzgeärgert haben.